Erlebnisse und Gedanken einer Forumsleiterin aus dem ZEGG bei ihren Seminaren in Brasilien

„Es ist eine ganz besondere Magie in dem Kreis: Ich darf mich ganz zeigen, bin angenommen und wir fühlen miteinander. Das hat mich völlig beeindruckt, denn da wächst für mich Vertrauen und Hoffnung. Wenn Menschen so zusammenkommen, entstehen ganz neue Wege. Dafür möchte ich mich einsetzen.“

Dieses Fazit machte ein Teilnehmer der Forumsausbildung „Kreise des Vertrauens“ in Brasilien.

Das Forum ist ein Kommunikationsprozess, der seit den 1980er Jahren im Projekt MEIGA und später in der Gemeinschaft ZEGG kontinuierlich weiterentwickelt wurde. Er wird heute in vielen Lebensgemeinschaften genutzt, um die Kommunikation zu vertiefen, Vertrauen zu schaffen und Konflikten vorzubeugen. Ita Gabert, aus dem Ökodorf Sieben Linden, arbeitet seit vielen Jahren in Brasilien mit Gemeinschaften und Gruppen und war überzeugt: Auch dort braucht es strukturiertere Formen, miteinander tiefer zu kommunizieren, damit Gemeinschaftsprojekte besser gelingen. In einem Workshop bei Joanna Macy, traf ich sie bei einer Visionsübung. Ich hatte bereits einige Jahre in Spanien Forumsworkshops geleitet und erste Erfahrungen damit in Kolumbien und Ecuador gemacht. Wir merkten, dass wir einen gemeinsamen Traum hatten: in Lateinamerika unser Wissen und unsere Erfahrung aus unseren Gemeinschaften weiterzugeben. Wir taten uns zusammen und entwickelten einen 10tägigen Gemeinschaftskurs für Projekte in Brasilien.

In diesem Gemeinschaftskurs gibt es, neben theoretischen Inputs, immer wieder das Forum als Raum, indem wir gemeinsam Themen des Menschseins erforschen. Konfliktthemen wie Macht, Geld, Beziehungen, Liebe werden auf einer tieferen Ebene und in ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang beleuchtet. Im urteilsfreien „Kreis des Vertrauens“ gehen Teilnehmende in die Mitte und zeigen sich mit dem, was in ihnen lebendig ist. Auf der Basis von selbstverantwortlicher Forschung und Authentizität darf alles sein, was ist – und so entsteht, durch Annahme  und Zeugenschaft, in festgefahrenen Situationen ein Veränderungsimpuls. Unterstützt wird dieser durch Feedbacks (Spiegel) der anderen Gruppenteilnehmer*innen.

Spannend waren immer wieder die anderen kulturellen Bedingungen. Auf einer oberflächlichen Ebene sind Lateinamerikaner*innen ja viel herzlicher und offener. Es zeigte sich allerdings im Seminarsetting, dass sich die Hemmschwelle, sich zu zeigen, bedeutend schnell größer wird, sobald es an schwierige Themen geht. Und bei Feedbacks ist die Angst der Teilnehmenden vor klaren Rückmeldungen dann sehr ausgeprägt.  Ein klares NEIN existiert kulturell gesehen gar nicht. In einem Workshop, in dem es um klare Kommunikation geht, ist das natürlich wichtig. Und auch bedenkenswert, denn wir können ja auch nicht einfach unsere Erfahrungen in einen anderen Kontext pflanzen. Ita und ich passten einiges im Prozess an. Insgesamt war bei den Brasilianer*innen die Sehnsucht nach wahrhaftigen Kommunikationsräumen sehr groß und die Dankbarkeit der Teilnehmenden der Motor für die nächsten Experimente.

Die Südamerikaner*innen wollten dann auch selbst Forum anleiten können – und so entstand eine Forumsleitungsausbildung mit 30 Tagen Kurs und 45 Stunden Praxiszeit, die 2018 das erste Mal stattfand und jetzt im Februar ihr Abschlussmodul hatte. Kurz danach ging bereits eine zweite Gruppe an den Start. Inhaltlich angelehnt haben wir uns an die Forumsleitungsausbildung, die ich mit Achim Ecker in Spanien durchführe (und die er wiederum in den USA mit Ina Meyer Stoll entwickelt hatte, die ihrerseits von Dolores Richter u.a. inspiriert wurde, etc.) Es flossen viele der Übungen und Erfahrungsräume ein, die Ita und ich als aktiv Forschende während unserer insgesamt 35 Jahre Gemeinschaftsleben gemacht haben.

„Welche Menschen kommen denn zu Euren Kursen?“, werde ich immer wieder gefragt. Es sind natürlich zum einen Menschen aus bestehenden Lebensgemeinschaften, aber auch viele andere, die mit Menschen und in Gruppen arbeiten. Wir sind stolz über ihre Unterschiedlichkeit: von der Regierungsangestellten bis hin zu Multiplikator*innen in Favelas (Slums), für die wir Spendensammlungen machen, um ihre Kurse zu finanzieren.

Für mich selbst sind Reisen mit dem Forum eine willkommene Art, unterwegs zu sein. Denn schon immer interessieren mich in einem Land weniger die Orte und Gebäude, als vielmehr die Menschen, Denkweisen, Lebensentwürfe, Erfahrungen. Ein Kurs, der genau dies in den Mittelpunkt stellt, ist da natürlich auch für mich ein Geschenk. Und es ist eine wunderbare Erfahrung, dass Essenzen, die wir in unseren Gemeinschaften in langjährigem Forschen erarbeitet haben, auch in anderen Kulturen Menschen bereichern können.

Lebensgemeinschaften verstehen sich oft als Modellprojekte – dort wollen wir im Kleinen Dinge erforschen, die wir auch im allgemeinen gesellschaftlichen Kontext für wichtig erachten: von der Implementierung ökologischer Innovationen über effektivere Organisationsformen bis hin zu Kommunikationsprozessen. Und oft ist es so zeitaufwändig, all diese Dinge umzusetzen, dass dann wenig Zeit bleibt, die Ergebnisse auch noch weiterzugeben. In dem Sinne bin ich dankbar für all die Menschen, die im ZEGG gerade die Grundstruktur halten und verbessern, während ich den Winter im sonnigen Süden verbringen konnte.

Mehr über das Forum: www.zegg-forum.org

Barbara Stützel  (ZEGG)

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