Alexander von Humboldt, Vater des heutigen Naturverständnisses, Entdecker und Forscher, Philosoph und Literat, zu Gast in Sieben Linden. Öko-Geschichte(n) auf Tuchfühlung mit Nicoletta Geiersbach
Am 28.8.2019 eröffnete Alexander von Humboldt (gespielt von Nicoletta Geiersbach als Visual Artist Pantomime) in seiner Heimatstadt Berlin an der Humboldt-Universität zu Berlin (1809 gegründet) erfolgreich die Konferenz „The Berlin KOSMOS Invocation for Sustainability Transformation” vor internationaem, Publikum. Anschließend reiste er weiter in die Altmark des 2019.
Der hochbetagte Humboldt war dabei recht sportlich unterwegs. Ehrlich, es sieht ihm keiner die Jahre an, er steht hoch im Kurs bei Jung und Alt.
Als interdisziplinärer Vordenker seiner Zeit, hat er an Begeisterung für sich bei den Menschen und an Ruhm heute, aktueller den je, nicht verloren (auch wenn er zwischen den Jahren schon mal etwas unterging). In diesem Jahr ist er vielerorts neu auferstanden, zeigt sich in vielen Facetten und hat seiner Gestalt neue Farbe eingehaucht. Nicht nur wird er in der deutschen Hauptstadt groß gefeiert und in unzähligen Foren besprochen und erforscht, weltweit ist er der Star. “Ich bin Humboldt”, so lautet ein Slogan eines Forums im Internet, an dem jede/r teilnehmen und sich mit anderen austauschen kann, um Humboldts Spuren im eigenen Leben zu folgen.
Dieses Jahr, zur Feier seines 250. Geburtstages, und ganz seiner Gedanken, Erfahrungen als Forscher und Reisender und der sich daraus ergebenden Erkenntnisse treu geblieben, besuchte er das nachhaltigste Dorf Deutschlands auf: Das Ökodorf Sieben Linden, mitten in der Altmark in Sachsen Anhalt. Hier entsteht seit 1997 ein Gemeinschaftsdorf. “Wieviel Erde investiere ich für meinen Lebensstil?” ist eine der Leitfragen, die Dorfbewohner halten sich den eigenen ökologischen Fußabdruck beständig vor Augen und entwickeln Strategien für ein selbstbestimmtes, nachhaltiges Leben. Die derzeit knapp 146 dort lebenden Menschen allen Alters nutzen nicht nur ihre Ausscheidungen für etwas Sinnvolles (als Kompost!), sondern lehren auch Sinnvolles. So zog vor Jahren die Permakultur ein, die Idee und revolutionäre Lösungskraft des dynamischen Agroforst schafft Fläche. Auch Gäste stimmen mit ein: „Die Welt ist voller Lösungen“… beschreibt der Untertitel des aktuellen Buches TOMORROW von Cyril Dion die Situation. Mit Studenten und Visionären aus Belarus, Serbien, Türkei und Deutschland, konnte er sich bei seinem viertägigen Besuch im Ökodorf Sieben Linden während eines internationalen Camps dort über nachhaltige Lebensstile austauschen und ein Planspiel zum nachhaltigen Leben mitentwickeln.
Humboldt, 1769 in Berlin geboren und 1859 in Berlin gestorben, war zu seiner Zeit der berühmteste interdisziplinär arbeitende Wissenschaftler und ein wahrer Kosmopolit von internationalem Rang. Er interessierte sich einfach für alles: Pflanzen, Wetter und Klima, Petrologie, Vulkane, Lebensweisen und Sprachen von Eingeborenen in Südamerika, Philosophie, Literatur… Sein bahnbrechendes Denken, seine Vorstellungen von der Natur und unserem Platz darin haben die Wissenschaft für immer verändert, gar revolutioniert.
Nach dem Tod seiner Mutter begann er in seinen Zwanzigern sein selbstbestimmtes Leben und verbrachte es vorwiegend auf abenteuerlichen Reisen in die Neue Welt, nach Russland und bis weit nach Zentralasien. Er wollte alles wissen und verstehen, alle Elemente und Dinge der Welt waren für ihn miteinander verbunden. So war er auch der erste, der den von Menschen gemachten Klimawandel beschrieb und vor der Abholzung des Regenwaldes warnte. Umso erschrockener ist er nun, heute, über das Ausmaß an Zerstörung, vor allem auch im Amazonasgebiet zur heutigen Zeit…NUR 250 Jahre nach seiner Geburt. Humboldt schrieb damals: „Die Außenwelt existiert nur insoweit, als wir sie in uns aufnehmen.” Wie sie in unserem Verstand geformt worden sei, so forme sie wiederum unser Verständnis der Natur. Weiterhin war er davon überzeugt, dass zum Verständnis der Natur die Fantasie ebenso notwendig sei wie das rationale Denken. „Die Natur müsse erlebt und gefühlt werden“, schrieb Humboldt an seinen guten Freund Goethe, der wiederum, äußerst inspiriert von Alexander, in seinen Gedichten vielerlei Ansätze und Erkenntnisse von ihm einfließen ließ.
Im Ökodorf Sieben Linden sah „Humboldt“ dieses Jahr seine Erkenntnisse und Hinweise in vielem gelebt, beispielsweise in der Art, wie dort Häuser errichtet werden, der Garten angelegt, der Kompost aufgesetzt, das Essen zubereitet und wie die Kinder im Waldkindergarten sich in die Natur fühlen, sie erfahren und bespielen. Ein sinnstiftendes Leben.
Er hatte viel zu tun: In völliger Hingabe und Glück gab er im Sommer spontan für weitgereiste Besucher eine begeisternde Humboldtführung durch das Dorf. Am Abend zuvor geriet er in die Dreharbeiten für den Spielfilm “Lebensdorf” zusammen mit zig weiteren Komparsen und Hauptdarstellenden. Er begab sich auch in die Hansestadt Salzwedel und suchte den offenen Kanal auf, der einen Bürgersender betreibt. Unmittelbar in der Nachbarschaft ließ er es sich nicht nehmen auch Frau Helga Weyhe, die älteste Buchhändlerin Deutschland mit 95 Jahren, recht jung wie er fand, aufzusuchen. Mit ihrer 177 Jahre alten Buchhandlung in dritter Familiengeneration, ist sie ein „Kleinod“ der besonderen Art. Die aktuellen Humboldtbücher von Andrea Wulff (sehr empfehlenswert!) waren feinster Gesprächsstoff. Frau Weyhe, die jedes Buch in ihren Räumen von 1840 wenigstens einmal quergelesen hat, war sehr von Humboldts Besuch angetan. Humboldt betrat schließlich noch das Kunsthaus, ehemals ein Lyzeum. Er genoss dieses geschichtsträchtige, vor dem Verfall gerettete Haus, das ein öffentlicher Aktionsraum der feinen Klänge und tiefschürfenden Bildergewalt geworden ist. Im großen Saal „bespielte“ er das Stehpult und „ersaß“ ein historisches Sofa. Stendal mit seiner vielseitigen Theaterbühne war die letzte seiner aktuellen Stationen. Er entschwand, so wie er gekommen war, fast unbemerkt und doch nachhaltig präsent.
„Man schließe das Auge, man öffne, man schärfe das Ohr, und vom leisesten Hauch bis zum wildesten Geräusch, vom einfachsten Klang bis zur höchsten Zusammenstimmung, von dem heftigsten leidenschaftlichen Schrei bis zum sanftesten Worte der Vernunft ist es die Natur, die spricht, ihr Dasein, ihre Kraft, ihr Leben und ihre Verhältnisse offenbart, so dass ein Blinder, dem das unendlich Sichtbare versagt ist, im Hörbaren ein unendlich Lebendiges fassen kann“ (Johann Wolfgang von Goethe, enger Freund von Alexander von Humboldt).